Ich saß also im neuen Volvo FH4, frisch übergeben auf dem Hof in Rostock. Alles roch neu – das Leder, die Polster, sogar die Klimaanlage verströmte diesen „Erste-Fahrt“-Duft. Ich lehnte mich zurück, drückte auf Start, das leise Grollen des Motors ging mir durch Mark und Bein.
Und dann kam der Anruf von der Dispo – oder besser gesagt: von meinem Disponenten, der gleichzeitig mein langjähriger Kumpel ist. „Willst du den Volvo mal gleich einfahren, Chef? Düsseldorf wartet.“
Ich grinste. Erste Tour, und direkt eine Strecke, die ich fast im Schlaf fahren konnte: Rostock nach Düsseldorf, etwa 560 Kilometer. Keine schwere Ladung diesmal, ein paar Industriegüter, gut palettiert – ideal, um den neuen FH4 auf Herz und Nieren zu testen.
Ich rollte vom Hof, nahm die A20 westwärts, später dann runter über die A1 Richtung Nordrhein-Westfalen. Der Volvo lief wie auf Schienen. Adaptive Cruise Control, Spurhalteassistent, ein digitales Cockpit, das aussah wie ein Raumschiff – es war ein Unterschied wie Tag und Nacht zum alten Actros, obwohl der mir jahrelang gute Dienste geleistet hatte.
Ich fuhr durch Mecklenburgs sanfte Hügellandschaft, passierte die ersten Felder hinter Lübeck, machte kurz Rast bei Hamburg – ein Espresso, ein kurzer Rundgang ums Fahrzeug. Alles tippitoppi. Die Sonne ging gerade unter, als ich auf der A1 Richtung Ruhrgebiet fuhr. Der Himmel färbte sich blutrot, die Rückspiegel glühten.
Gegen Mitternacht erreichte ich den Rand von Düsseldorf. Ich parkte auf dem Speditionshof, schaltete den Motor ab und lehnte mich zurück. Der Volvo hatte sich bewährt. Ich hatte mich selten so wohl und sicher auf einer ersten Tour gefühlt.
Ich stieg aus, streckte mich und sah noch einmal auf die Silhouette des FH4 im Laternenlicht. Mein neues Kapitel als Unternehmer – als Fahrer meines Unternehmens TUKS – hatte einen verdammt guten Anfang genommen.
Morgen würde es weitergehen. Aber jetzt… erst mal schlafen. In meiner rollenden Festung aus Stahl und Komfort.
Neuer Tag, neue Tour.
Ich stand früh auf, noch vor Sonnenaufgang, der Trailer war bereits beladen mit wuchtigen 34,5-Tonnen-Industriekabeltrommeln – aus Stahl und Eichenholz. Ziel: Olbia, Sardinien. Klingt traumhaft. Und war es auch – zumindest fast. Satteln und los.
Ich startete gegen 6:00 Uhr in Düsseldorf, es war kühl und neblig, typisch NRW im Frühherbst. Die Autobahnen waren noch leer, der Truck schnurrte, und ich genoss die Ruhe im Cockpit. Köln, Koblenz, dann weiter Richtung Süden – die Route führte über Karlsruhe, durch die Schweiz bei Basel, dann durch Norditalien, runter nach Livorno, von dort mit der Fähre nach Sardinien. Eine dieser Touren, bei denen du die Klimazonen fast schon hören kannst.
In der Schweiz schlug das Wetter um. Ich fuhr durch dichte, kühle Regenschauer, die Alpen lagen in Wolken, und auf dem San-Bernardino-Pass wurde der FH4 zum echten Kraftpaket. Der Verbrauch ging ein bisschen hoch, aber dafür war die Traktion bombensicher.
Nach über acht Stunden auf der Straße und einer sauberen Pause in der Nähe von Lugano, gönnte ich mir etwas ganz Besonderes: Ein kleiner Familienbetrieb an der Landstraße servierte mir Polenta mit Brasato al Barolo – butterzart geschmortes Rindfleisch in dunkler Rotweinsauce, dazu heiße Polenta und ein kleiner Espresso hinterher. Ich saß draußen, die Sonne kam zwischen den Wolken durch, und für einen Moment war alles perfekt.
Dann weiter Richtung Livorno, durch die flirrende Hitze der Toskana. Der Verkehr war dicht, die Lenkzeiten knapp kalkuliert, aber ich erreichte den Fährhafen pünktlich und rollte in den Bauch der Nachtfähre.
Am nächsten Morgen: Olbia. Der Himmel war wolkenlos, 27 Grad um 9 Uhr früh, Möwen kreischten über dem Hafen, und der Wind trug den Duft von Salz und Pinien mit sich. Sardinien empfing mich mit Sommer.
Doch dann kam die Realität:
Am Zielort – einem halbfertigen Industriepark im Hinterland – stand niemand bereit. Keine Rampe, keine Gabelstapler, keine Ansprechpartner. Nur ein verschlossener Zaun und ein Baucontainer mit dem Schild “Zurück in 10 Minuten”, das vermutlich schon seit Wochen dort hing.
Ich rief durch, erreichte nach dreißig Minuten jemanden. „Ah, sì, scusa… wir dachten, Sie kommen morgen.“
Ich lachte trocken. „Ich hab 34,5 Tonnen Kabel auf dem Rücken. Und die bleiben nicht über Nacht bei mir im Hotel.“
Am Ende half ein örtlicher Kranfahrer aus, den ich mit einem Anruf vom Hafen organisierte – gegen einen kleinen „Caffè-Zuschlag“. Nach zwei Stunden war die Trommel entladen, die Sonne stand hoch, und ich war klatschnass geschwitzt, aber zufrieden.
Ich rollte den Volvo auf einen nahen Autohof, stellte den Motor ab und atmete tief durch. Sardinien. Sonne. Salz in der Luft. Und wieder eine Tour gemeistert.
Ich stieg aus, klopfte dem FH4 kurz auf die Tür, wie ich’s immer mache. „Gut gemacht, alter Freund.“