Drei Tage Olbia.

Nachdem ich die schwere Kabeltrommel erfolgreich abgeladen hatte, blieb ich – wie geplant – noch ein paar Tage in Olbia, bevor der nächste Auftrag starten sollte. Drei Tage Standzeit, bezahlt. Eigentlich für viele ein Ärgernis. Für mich? Ein Geschenk.

Ich parkte den Volvo ordentlich auf einem bewachten Hof, sicherte alles ab, und dann ging’s los: endlich raus aus dem Fahrerhaus, rein ins Leben. Ich mietete mir ein kleines Zimmer mit Meerblick in Golfo Aranci. Jeden Morgen schwamm ich im glasklaren Wasser, frühstückte frisch gebackene Seadas mit Honig und erkundete die sardische Küste mit einem alten Leihroller. Ich aß gegrillten Tintenfisch mit Zitrone in einer winzigen Trattoria, sprach mit alten Fischern auf dem Markt und ließ mir von einem Einheimischen die Geschichte von Nuraghen erzählen.

Sardinien zeigte mir sein bestes Gesicht: Sonne, Wind, der Duft von Myrte und Meer – und ich, ein Fernfahrer mit drei Tagen Freiheit.

Dann der Auftrag.

Drei Tage später stand ich früh auf, zog das TUKS-Hemd über, fuhr den Volvo startklar. Auftrag: schwere Pressenteile, Abholung bei einer Metallbaufirma etwas außerhalb von Olbia. Alles vorbereitet, Dispo informiert, Navi programmiert.

Doch als ich auf dem Hof stand, war da… nichts. Kein Mensch, keine Bewegung. Nur ein verblasstes Firmenschild, eine Kette vor dem Tor und ein leerer Parkplatz. Ich stieg aus, suchte den Eingang, klopfte gegen die staubige Glasscheibe. Nichts.

Ich rief bei TUKS an. Mein Disponent war verdutzt. „Moment, das kann nicht sein – wir haben den Auftrag gestern noch bestätigt bekommen.“
Fünf Minuten später kam der Rückruf. „Die Firma ist… seit Monaten pleite. Insolvenz. Die Webseite ist noch online, aber da geht nix mehr.“

Ich lehnte mich gegen den Volvo und sah zur Werkhalle. Fenster zerschlagen, ein alter Gabelstapler verrostet auf dem Hof. Alles tot.

Keine Ladung. Kein Ziel. Der Auftrag fiel aus. Einfach so.

Ich atmete durch. Klar, ärgerlich. Aber ich war lange genug unterwegs, um zu wissen: So läuft’s manchmal. In dieser Branche steht man nicht nur im Stau, sondern auch mal vorm Nichts. Doch ich wusste: Ich war vorbereitet. Ich hatte Zeit, einen Plan B zu entwickeln.

Und Sardinien war kein schlechter Ort, um auf einen neuen Auftrag zu warten. Ich stieg zurück in den Volvo, startete den Motor – und meldete mich bei der Zentrale: „Bin leer in Olbia. Bereit für das nächste Abenteuer.“

Ich saß in meinem Volvo auf dem Autohof von Olbia, die Sonne brannte auf die Windschutzscheibe, der Kaffee im Becherhalter war längst kalt geworden. Keine Ladung, kein neuer Auftrag – nur die warme, mediterrane Leere.

Ich lehnte den Kopf zurück und musste plötzlich an eine andere Tour denken. Eine, die mir auch ordentlich Nerven gekostet hatte. Amsterdam nach Felixstowe, noch mit dem alten MB Actros. Es war nicht meine glatteste Fahrt. Aber eine, die man nicht vergisst.

[Rückblende] Amsterdam → Felixstowe

Start war frühmorgens, 4:30 Uhr, bei kühlem Nebel im Westen Amsterdams. Ich hatte einen echten Brocken geladen: einen Volvo EW240E MH, 26,0 Tonnen schwer, hochmodern, ein Mobilbagger der Extraklasse. Die Maschine musste pünktlich in Felixstowe sein – weiterverladen Richtung Irland. Der Zeitplan war eng.

Doch kaum zehn Kilometer gefahren, spürte ich das typische Schlingern. Ich dachte zuerst, es sei nur Wind. War’s aber nicht. Der linke Trailerreifen war geplatzt – sauber zerfetzt. Ich musste runter von der A5, Warnblinker an, Warndreieck raus. Und dann hieß es: warten.

7:10 Uhr, der Reifenservice kam. Netter Typ, Holländer mit lockerer Zunge, aber die Reparatur dauerte fast zwei Stunden, denn der Ersatzreifen war zuerst der falsche.
Ich stand da, trank lauwarmen Kaffee, kaute trockenes Schwarzbrot mit Salami, schaute in den grauen Himmel und fluchte leise. Ich wusste: Die Fähre würde ich verpassen.

Und so war’s. 12:55 Uhr, ich rollte gerade durch Rotterdam – zu spät. Die Dispo gab durch: „Nächste Fähre wäre 18:00 Uhr – aber wird eng mit dem Wetter.“
Ich fuhr trotzdem runter zum Hafen, stellte mich in die Warteschlange.

Dann der nächste Rückschlag: „Fähre gestrichen. Unwetterwarnung.“
Windstärke 9, starker Regen, Wellen wie Häuser. Ich bekam einen Platz auf der nächsten, für den Folgetag um 5:30 Uhr morgens. Also: Warten.

Ich verbrachte die Nacht im Führerhaus. Dauerregen. Ich kochte mir im Kocher hinten eine Portion Ravioli aus der Dose, dazu ein kaltes Bier, das ich noch vom letzten Wochenende dabeihatte. Im Radio lief leiser Jazz, ich las ein paar Seiten in meinem alten Fernfahrer-Taschenbuch. Und irgendwann schlief ich ein, während der Regen auf das Dach trommelte wie ein Metronom.

Am nächsten Morgen klarte es auf. Ich fuhr an Bord, überquerte die stürmische Nordsee und kam gegen Mittag in Felixstowe an. Und dann? Lief alles wie am Schnürchen. Die Entladung des Volvo-Baggers war schnell, das Personal freundlich, das Wetter britisch – grau, aber stabil. Manchmal reicht das.